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New Work & Das Geheimnis der Motivation

Posted in Employer Branding, New Work, Organisationsentwicklung, and Unternehmenskultur

Als ich noch sehr klein war, haben wir öfter auf Mallorca Urlaub gemacht. Dort konnten Touristen Eselskutschen für eine Rundfahrt mieten. Was an verschwommenen Kindheitserinnerungen hängen geblieben ist, ergibt das folgende Bild: Mein Vater lief mit einem alten Brötchen voraus und wir zuckelten mit der Kutsche mühsam hinterher. Der Esel blieb häufiger auch mal ganz stehen. Das änderte sich, sobald es Richtung Stall ging: Jetzt gab der Esel Gas und war kaum noch zu bremsen. Um es mit den Worten des Philosophen und Begründers der New-Work-Bewegung, Frithjof Bergmann, zu sagen: Das Herumkutschieren von Touristen war nicht die Art von Arbeit, die der Esel „wirklich, wirklich wollte“. Er sah wohl keinen Sinn darin, den Touristen seine schöne Heimat zu zeigen. Die Arbeit war ihm eine Last. Dem trockenen Brötchen folgte er, bis etwas Attraktiveres in Aussicht war. 

Übertragen auf den beruflichen Alltag sehen wir einen Mitarbeiter, der im besten Fall Dienst nach Vorschrift macht, während seine Vorgesetzte mit mehr oder weniger attraktiven Gehaltsbausteinen und Benefits, einer guten Altersvorsorge für den Höhepunkt des Lebens und einem wohldosierten Lob ab und zu für extrinsische Motivation sorgt. Der Vorteil, den der Mitarbeiter gegenüber dem Esel hat: Er kann leichter hinschmeißen und sich eine andere Arbeit suchen, die den Weg bis zum Ruhestand erfüllender macht. 

Mit diesem Beitrag starte ich eine kleine Artikelserie, bei der es um die ökonomische und soziale Dimension der Nachhaltigkeit in Unternehmen gehen wird. In diesem Zusammenhang spielt das Gewinnen, Binden, Entwickeln und Motivieren der Mitarbeiter eine wichtige Rolle. Eine Unternehmens- und Führungskultur, die New-Work-Elemente integriert, stellt sich hier zukunftsfähig auf. Heute geht es zunächst um die Themen Arbeitszufriedenheit, Motivation und Empowerment. Wie wird der Esel, nennen wir ihn Rudi, doch noch zum begeisterten Fremdenführer? 

New Work & Sinnsuche

Der Begriff New Work beschreibt eine neue Denkweise, Werteorientierung sowie moderne Formen der Zusammenarbeit in Unternehmen. Als Begründer der New-Work-Bewegung und ihr wichtigster Vordenker gilt Frithjof Bergmann. Er fordert die Menschen auf, eine Arbeit zu finden, die sie „wirklich, wirklich wollen“. Das ist eine Arbeit, die wichtiger ist als der Besitz materieller Dinge. Für Bergmann hat die Arbeit zwei Pole: Am einen Pol kann sie „verkrüppeln“ oder zumindest wie „eine milde Krankheit“ empfunden werden. Am anderen Pol kann sie den Menschen stärken und entwickeln. Spaß an der ausgeübten Tätigkeit und eine Übereinstimmung mit den Werten des Arbeitgebers reichen für Bergmann nicht aus, um die Kriterien “Neuer Arbeit” zu erfüllen. Bei ihm geht es um Arbeit zur Selbstverwirklichung. Innerhalb von Unternehmen wäre das wohl nur bei einem ultimativen „Purpose-Fit“ möglich, einer Übereinstimmung der persönlichen Berufung mit der Mission des Unternehmens. Bergmann selbst stellt sich allerdings vor, dass die Menschen künftig nur noch 1-2 Tage pro Woche gegen Lohn arbeiten und ihrer Berufung eher außerhalb von Organisationen nachgehen werden.

In seiner heutigen Alltagsverwendung ist der Begriff New Work nur noch lose und mal mehr, mal weniger mit den Ursprungsideen von Bergmann verknüpft. Fakt ist: Die Arbeitskultur wandelt sich. Eine wichtige Rolle als Treiber und Enabler spielen dabei die neuen Technologien, die rasant fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung. Die Arbeitnehmer, zunehmend Wissensarbeiter, rücken als wichtiger Erfolgsfaktor mit ihren vielfältigen Potenzialen und Bedürfnissen in das Zentrum der Aufmerksamkeit – sind sie doch an vielen Stellen ein rares Gut, das umworben werden muss. Im New-Work-Mindset ist der Mitarbeiter aber nicht nur Ressource, sondern wird auch selber zum Zweck. Sein Wohl und seine Potenzialentfaltung sind ein erstrebenswertes Ziel. Es geht um “gute” Arbeit und eine “menschliche” Arbeitskultur, in welcher der Mensch nicht nur mit einem Teil seiner Selbst auf einem Arbeitsplatz Sinn machen muss, sondern als ganze Person wertgeschätzt wird. Es wird versucht, die Bedürfnisse, Wünsche und Sinnsuche des Einzelnen mit den Anforderungen der Arbeitswelt in Einklang zu bringen. Auf der Ebene der Organisation findet sich das Thema Sinn in Konzepten zur “Purpose-Driven-Organization” wieder, so z.B. in dem etwas esoterisch anmutenden “evolutionären Zweck”, den der ehemalige McKinsey-Berater Frederic Laloux in grundlegend neuen, integralen Organisationsformen am Werke sieht, die er in seinem Buch “Reinvention Organizations” (2015) beschreibt.

Wanted: Intrinsische Motivation

Reality-Check: Was Unternehmern und Unternehmerinnen an den Ideen Frithjof Bergmanns am besten gefallen hat, war die intrinsische Motivation, die eine Arbeit bei den Mitarbeitenden auszulösen versprach, wenn sie diese „wirklich, wirklich wollen“. Denn Arbeitgeber suchen meist Mitarbeiter, die für ihren Job leidenschaftlich „brennen“. Doch was bringt die Flamme zum lodern? 

Gemäß der Zwei-Faktoren-Theorie  zur Motivation von Frederick Herzberg (1952) stellt sich Zufriedenheit mit der Arbeit nicht automatisch ein, nur weil es keinen Grund für Unzufriedenheit gibt. Herzberg unterscheidet Hygienefaktoren (dissatisfier) und Motivatoren (satisfier). Zu den Hygienefaktoren zählen z.B. die Vergütung, der Führungsstil, zwischenmenschliche Beziehungen am Arbeitsplatz, die Arbeitsplatzsicherheit und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Wenn die Hygienefaktoren im Arbeitskontext positiv erlebt werden, führt das vor allem dazu, dass keine Unzufriedenheit entsteht. Da der Arbeitgeber bei den Hygienefaktoren oft Zugeständnisse machen muss, die er eigentlich nicht machen will, sinkt seine eigene Zufriedenheit, zumindest solange die Profitmaximierung der einzige Maßstab ist und nicht daneben auch das Wohlempfinden der Mitarbeiter als Maßstab gilt. Gelingt es, die Demotivatoren zu reduzieren, erhöht der Arbeitgeber die Bindung der Mitarbeiter und gewinnt durch Mitarbeiterempfehlungen zugleich an Attraktivität auf dem Bewerbermarkt.

Klassische Ansatzpunkte für die Personalarbeit bei den Hygienefaktoren sind ein faires, wettbewerbsfähiges Gehaltssystem, Maßnahmen zur Führungskräfteentwicklung, Mitarbeiterevents, Teambuilding-Maßnahmen, das Ermöglichen von Teilzeitarbeit, Sabbaticals, Mobilarbeit oder Homeoffice. Heute werden oft noch ein Kickertisch, frisches Obst oder Sportangebote oben drauf gepackt. Was macht das mit unserem Esel Rudi? Er erwartet Konditionen, die seine Bedürfnisse mindestens genauso gut befriedigen, wie die Angebote des Nachbarstalls. Ist das erfüllt, ist allerdings noch lange nicht garantiert, dass er die Kutsche deswegen besonders begeistert zieht.

Förderlich auf die Arbeitsmotivation und damit auch auf die Leistung wirken sich nur die Motivatoren aus, die aus der Arbeit selbst stammen. Dazu zählen die Arbeitsinhalte, Erfolgserlebnisse, Wertschätzung als positive Aufmerksamkeit und Interesse an den Mitarbeitern, Verantwortung, Entwicklungsmöglichkeiten und Beförderungen. Aus Arbeitgebersicht ist dieser Bereich besonders interessant, da er in diesem Fall mehr für sein Geld bekommt. Esel Rudi hat Spaß an der Arbeit und dreht ohne zu Murren eine Extrameile. Glückliche Touristen, glücklicher Arbeitgeber, glücklicher Mitarbeiter. Win-Win-Win.

Die Ansatzpunkte für die Personalarbeit hinsichtlich der Motivatoren liegen bei der Gestaltung der Arbeitsinhalte, der Personal- und Führungskräfteentwicklung sowie Laufbahnplanung. Wird dabei ein modernes, mit New Work assoziiertes Umfeld angestrebt, kann das bedeuten, dass die klassische Führungsrolle an Bedeutung und strukturellem Einfluss verliert, die Laufbahnplanung horizontaler erfolgt und Verantwortung auf mehrere Mitarbeiter bzw. das Team aufgeteilt wird. 

Beide Säulen der Arbeitszufriedenheit lassen sich in der Praxis allerdings nicht immer ganz strikt trennen: Führung kann z.B. in beide Richtungen wirken, unzufrieden machen oder energetisieren. Und wer mehr Verantwortung übertragen bekommt oder befördert wird, erwartet meist einen finanziellen Ausgleich. Motivatoren können zudem ihre Wirkung irgendwann verlieren, wenn sie zu selbstverständlich werden.

Natürlich kann es Mitarbeitende auch kurzfristig motivieren, wenn die Hygienefaktoren (z.B. Arbeitsplatzsicherheit) bedroht sind. Das ist dann die Art von Motivation, die z.B. nach der bestandenen Probezeit sofort verpufft. Der Organisationspsychologe Edgar Schein stellte fest, dass Unsicherheit in Veränderungsprozessen dazu motivieren kann, die Komfortzone zu verlassen. Zugleich braucht es aber ein Gefühl von Sicherheit, damit das Neue angenommen und die “Lernangst” überwunden werden kann. Ein bewusster Einsatz von Angst oder Druck als Motivator ist das Gegenteil von New Work und einer nachhaltigen Unternehmenskultur, da sich negative Folgen für die Gesundheit einstellen können. 

Arbeitsplatzpassung & Motivation

Den richtigen Mitarbeiter für eine Vakanz zu finden, legt den Grundstein für nachhaltige Motivation und Zufriedenheit. Wenn Esel Rudi eigentlich gar keine Karre ziehen will, sollte er bei der Personalauswahl ausgesiebt werden, auch wenn er qualifiziert ist.

Grundlage der Eignungsprüfung im Zuge der Personalauswahl sollte immer eine Anforderungsanalyse sein, die dann im Laufe des Bewerbungsprozesses mit den Potenzialen, Kompetenzen und der Erfahrung des Bewerbers durch geeignete Auswahlverfahren abgeglichen wird. Am zufriedensten wird der neue Mitarbeiter sein, wenn er mit der neuen Aufgabe weder unter- noch überfordert ist, wobei sich hier durch entsprechende Entwicklungsmaßnahmen und eine gewisse Rollenflexibilität unterstützen und ausgleichen lässt. Auch Persönlichkeitsfaktoren wirken auf die Arbeitszufriedenheit und Leistungsmotivation. Untersuchungen haben z.B. gezeigt, dass emotionale Stabilität positiv mit der Arbeitszufriedenheit korreliert.

Daneben spielen Einstellungen wie Motive und Interessen eine Rolle, ob sich eine Tätigkeit günstig auf die Motivation einer Person auswirkt oder nicht. Was möchte eine Mitarbeiterin mit ihrer Arbeit erreichen? Welche Tätigkeiten übt sie gerne aus, welche nicht so gerne? Kann der Mitarbeiter seine beruflichen Interessen im Job verwirklichen? McClelland (1985) unterscheidet z.B. die drei Motivgruppen Macht, Leistung und Anschluss, die jeweils sowohl vermieden als auch angestrebt werden können. Der Wirtschaftspsychologe Uwe Peter Kanning (2019) führt in seinem Inventar zur Personaldiagnostik 16 unterschiedliche Arbeitsmotive auf, die sich den vier Sekundärmotiven Individualität, Karriere, Soziales und Privatleben zuordnen lassen. Einstellungen können sich über die Zeit auch verändern und je nach Lebensphase können unterschiedliche Motive bei der Arbeitsplatzwahl in den Vordergrund treten (z.B. Finanzierung des Studiums, Teilzeit und hohe Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf, solange die Kinder klein sind, Karriere, Selbstverwirklichung). Nicht jede Position ist für hochmotivierte, ehrgeizige Mitarbeiter geeignet. Die Stelle kann dann nachhaltiger mit einer Person besetzt werden, die nicht zu viel von ihrer berufliche Tätigkeit erwartet.

Arbeit erfüllt eben verschiedene Funktionen. Sie dient dazu, das Geld zu verdienen, mit dem wir unsere Grundbedürfnisse und Konsumwünsche befriedigen können. Sie stiftet aber auch Identität, nimmt Einfluss auf unser Selbstwertgefühl und gibt dem Alltag Struktur. Wir werden Teil einer sozialen Gruppe (wenn auch manchmal nur noch virtuell), die uns mehr oder weniger wichtig sein kann. Vielleicht mag Esel Rudi seinen Job nicht besonders, aber er freut sich, wenn sein Kumpel Hans mit ihm zusammen die Kutsche zieht. Außerdem weiß er danach die Zeit auf der Weide erst so richtig zu schätzen.

Wenn neben der passenden Eignung, den Interessen und Motiven auch noch die Werte der Person mit denen der Organisation übereinstimmen, sind die wichtigsten Voraussetzungen für eine produktive Zusammenarbeit erfüllt, auch wenn es für den Arbeitenden vielleicht noch nicht das hergibt, was Bergmann als „calling“ bezeichnen würde.

Das Geheimnis der Motivation: Psychologisches Empowerment

Wer das Geheimnis um den motivierenden Kern von New Work lüften möchte, muss sich mit den Arbeitsinhalten beschäftigen. Frithjof Bergmann will eine neue Art von Arbeit, die dem Individuum Kraft gibt und es belebt. In diesem Sinne macht Carsten C. Schermuly in seinem Buch „New Work – Gute Arbeit gestalten“ das individuelle Erleben von psychologischem Empowerment zum Ziel von New-Work-Maßnahmen. Er baut dabei auf dem Ansatz von Gretchen Spreitzer auf, welche die subjektiven Empfindungen, Sinneseindrücke und Gedanken des Einzelnen bei der Berufsausübung ins Zentrum ihrer Forschung stellte.

Das Gefühl von psychologischem Empowerment entsteht, wenn die Mitarbeitenden bei ihrer täglichen Arbeit positive Erfahrungen in den Wahrnehmungsfeldern Kompetenz, Bedeutsamkeit, Selbstbestimmung und Einfluss machen, wobei die Felder sich gegenseitig verstärken. Wenn sich die Mitarbeiter in allen vier Dimensionen psychologisch empowert erleben, wirkt sich das positiv auf ihre Leistung aus: sie entwickeln Energie, handeln proaktiver und werden auch seltener krank. Insgesamt sind sie zufriedener mit ihrer Arbeit, die Identifikation mit dem Arbeitgeber und ihrer Aufgabe steigt und ihre Wechselbereitschaft nimmt ab.

Die Stärke des Ansatzes liegt darin, dass er sowohl in traditionelleren als auch moderneren Organisationsstrukturen in die Praxis umgesetzt werden kann. Er ermöglicht schrittweise Anpassungen, ohne dass gleich alle bestehenden Hierarchien und Strukturen massiv angefasst werden müssen. In Unternehmen, die sehr innovativ sein und komplexe Probleme lösen müssen, werden neue Formen der Zusammenarbeit allerdings oft durch komplett neue Strukturen begleitet (z.B. Einführung agiler Methoden, Schwarmorganisation, Holacracy).

Kompetenz

Es ist kein Geheimnis, dass Erfolgserlebnisse wichtig für die Motivation sind. Um psychologisches Empowerment zu erleben, müssen die Mitarbeiter sich in ihrer Arbeitsrolle selbst als kompetent erfahren, und zwar im fachlich-methodischen, sozialen und personalen Bereich. Geschieht das, leiden sie weniger unter Stress durch Überforderung. Das wirkt sich wiederum positiv auf die Arbeitszufriedenheit sowie die psychische und körperliche Gesundheit und somit auch auf den Kostenfaktor Fehlzeiten aus. Bekommen Mitarbeiter im New-Work-Kontext mehr Verantwortung und Autonomie, kann das stark motivieren. Sie sollten dann aber nicht allein gelassen, sondern geschult werden, wenn die dafür benötigten Kompetenzen noch zu niedrig ausgeprägt sind. 

Bedeutsamkeit

Damit Menschen ihre Arbeit wirklich tun wollen, muss sie bedeutsam für sie sein. Es ist wichtig, dass der Einzelne seinen eigenen Beitrag zum Unternehmenszweck und dem großen Ganzen versteht. Die Arbeit sollte mit den eigenen Werten korrespondieren und zu den Interessen und Lebenszielen des Mitarbeiters passen. Die Arbeitnehmer müssen sich außerdem mit den Produkten und Dienstleistungen ihres Arbeitgebers identifizieren können. Positive Effekte sind zu erwarten, wenn die Aufgabe auch von anderen Abteilungen im Unternehmen und der Gesellschaft als bedeutsam und wichtig angesehen wird. Im Extremfall leistet sie sogar einen positiven Beitrag zu einem „Strech-Goal“ oder Zweck, der die Welt verbessert. Wird die eigene Arbeit als bedeutsam wahrgenommen, verlieren Belohnungen in Form von Geld, Status und Lob oft an Wichtigkeit.

Selbstbestimmung

Niemand ist gerne fremdbestimmt. Die Zufriedenheit der meisten Mitarbeiter steigt daher, wenn sie den Weg zum Ziel selbständig bestimmen können. Hierunter fällt die Einteilung der anfallenden Arbeiten, die Verteilung der Arbeitszeit über die Woche und den Tag, die Wahl des Arbeitsortes sowie Wahlfreiheit bei den verwendeten Arbeitsmitteln. Abstimmungen zwischen Abteilungen können bei Bedarf flexibel über das interne Netzwerk erfolgen und müssen nicht den hierarchischen Umweg nehmen. Die engmaschig kontrollierende und Arbeitsanweisungen gebende Führungskraft gehört der Vergangenheit an. Das setzt beidseitiges Vertrauen voraus sowie eine positive Fehlerkultur, bei der Fehler den Anstoß für Verbesserungen und zum Lernen geben. Hierfür baut die nachhaltig denkende Führungskraft vertrauensvolle Beziehungen zu ihren Mitarbeitern auf.

In extrem demokratisch ausgeprägten Organisationsformen (z.B. Holacracy) geht die Autonomie so weit, dass die Mitarbeiter sich ihre Rollen innerhalb der Organisation selber suchen. Aus meiner Sicht ist es aber wichtig, dass es weiterhin Rollenklarheit gibt, auch wenn diese durchlässiger, flexibler und partizipativer ausgestaltet werden können. Im Recruiting-Alltag treffe ich oft auf Bewerber aus schnell wachsenden Start-ups, die sich vor allem klarere Strukturen wünschen. 

Einfluss

Für die Motivation ist es auch wichtig, dass die Mitarbeitenden sich selbst als einflussreich wahrnehmen können. Hierfür müssen sie die Erfahrung machen, dass sie ermächtigt sind, Dinge zu verändern. Dies passiert zum Beispiel, wenn sie eigene Vorschläge einbringen und umsetzen können, umfangreich informiert und in Entscheidungen eingebunden werden sowie Verantwortung übernehmen dürfen. 

Empowerment fördern: Befähigung & Teilhabe

Förderlich für das psychologische Empowerment sind Maßnahmen aus der Personal- und Organisationsentwicklung, die auf die vier Wahrnehmungsdimensionen einzahlen. Hier ist sowohl eine ganzheitliche Herangehens- und Denkweise als auch sehr viel Detailarbeit notwendig, um das Empowerment organisatorisch zu verankern. Die Größe, Struktur und aktuelle Situation des Unternehmens, die unterschiedlichen Aufgabenbereiche und individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter müssen bei der Wahl geeigneter Maßnahmen berücksichtig werden. Das geht nicht mit der Gießkanne. Zum Beispiel bietet nicht jeder Arbeitsplatz die Möglichkeit zu mobilem Arbeiten und Gleitzeit, aber es lassen sich trotzdem meist kleine Anpassungen finden, welche die Arbeitszeitautonomie der Mitarbeiter erhöhen.

Relativ einfach kann bei der schrittweisen Delegation von mehr Verantwortung und Entscheidungskompetenzen angesetzt werden (z.B. durch Job Enrichment, Delegation Poker, Projektverantwortung). Für die Führungskräfte bedeutet das, dass sie bereit sein müssen, Macht, interessante Aufgaben und Erfolgserlebnisse mit ihren Mitarbeitern zu teilen. Auch Maßnahmen, welche Transparenz, Wissenstransfer, Kommunikation und Partizipation fördern, etablieren psychologisches Empowerment (z.B. betriebliches Vorschlagswesen, Mitarbeiterbefragungen, Qualitätszirkel, Workshops und andere auf Mitwirkung ausgerichtete Meetings). Flankiert werden können diese Maßnahmen durch eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiteinteilung, der Präsenzpflicht und erlaubten Arbeitsorte. 

Ob man durch psychologisches Empowerment auch Esel Rudi zum begeisterten Fremdenführer machen könnte? Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung. Falls sich unter meinen Lesern irgendwelche Eselsflüsterer befinden sollten, hinterlasst gerne einen Kommentar. Ich habe jedenfalls vor kurzem einen Schnupperkurs „Kutschefahrenlernen“ besucht. Mit einem Brötchen musste niemand vorauslaufen. Es ging dabei eher um das richtige Zügelmaß und den steuernden Einsatz der Peitsche. Ein Esel ist eben kein Mensch, auch wenn es in diesem Fall ein Pferd war. Was will ich damit zum Schluss sagen? Eine Kutscherausbildung eignet sich nicht zur Schulung moderner Führungskräfte. Fest steht aber: Von der Gestaltung motivierender Arbeitsstrukturen und -inhalte profitieren Mitarbeiter und Unternehmen gleichermaßen. Der sozio-kulturelle Wandel und die neuen technologischen Möglichkeiten verändern die Arbeitskultur und Erwartungen der Menschen – und als Mitglied der Generation X erlaube ich mir hier zu betonen: nicht nur der jüngeren Generationen. Auch wenn der Weg zur Rente kürzer ist, spricht auch in reiferem Alter nichts gegen Spaß und Motivation bei der Arbeit. In diesem Sinne: Empower your people!

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Einen Kommentar

  1. Danke für den informativen Beitrag.

    Es gibt keine Geheimformel. Wenn du in deiner Entschlossenheit zielstrebig bist und NICHT AUFGIBST, wirst du schließlich erfolgreich sein.

    Ich kann den folgenden Ratgeber empfehlen. Kostenfrei und in wenigen Seiten sehr schön erklärt. https://www.mhs-4-you.com/motivation-hacks/

    Viele Grüße,

    Clara

    August 15, 2021
    |Reply

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