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Perfekte Unternehmenskultur: Ich packe meinen Kulturbeutel und nehme mit…? 

Posted in Employer Branding, Mission Sustainable, Nachhaltiges HR Management, Organisationsentwicklung, Recruiting, and Unternehmenskultur

Die Urlaubszeit ist da und nach zwei Jahren eingeschränkter Reisemöglichkeiten wird endlich wieder der Koffer gepackt. Neben Strand und Bergen lockt auch das Entdecken anderer Kulturen. Nicht fehlen auf der Reise, darf der „Kulturbeutel“, das kleine Täschchen, das uns bei der Aufrechterhaltung der Körperkultur hilft und für die Aufbewahrung von Hygiene-Utensilien zuständig ist. Wer neben der Standardausrüstung zur Zahn- und Haarpflege nicht weiß, was er sonst noch einpacken soll, kann sich eine lange Liste mit Extras im Internet googlen und ist dann bestens ausgerüstet. Wäre es nicht schön, wenn es für Organisationen ähnlich einfach wäre, sich mit dem richtigen Equipment für die Reise durch die VUCA-Welt auszustatten? 

Leider ist das Packen in diesem Fall nicht ganz so einfach. Denn wenn es sich nicht gerade um eine Neugründung handelt, ist im Kulturbeutel von Organisationen immer schon eine Menge drin und das lässt sich nicht so einfach entsorgen oder austauschen. Kulturträger einer Organisation sind wir alle, mit unterschiedlichen Vorerfahrungen, Perspektiven, Verhaltensweisen, Einstellungen und Werten. Bevor die Organisationskultur aktiv gestaltet werden kann, muss daher erstmal eine Bestandsaufnahme gemacht werden: Was ist schon drin? Was soll drinbleiben, was muss raus? Was kann mitkommen, muss es aber nicht? Was fehlt? In den letzten beiden Beiträgen in meinem Blog habe ich mich mit der Frage beschäftigt, wie man die IST-Kultur von Organisationen ermitteln kann. Diesmal geht es um die Bestimmung der SOLL-Kultur oder die Frage: Was packe ich denn nun in den Kulturbeutel der Organisation, um sie erfolgreich zu machen? Was macht überhaupt eine starke oder gute Unternehmenskultur aus? Gibt es Standardbausteine auf dem Weg zur perfekten Unternehmenskultur, die für jede Organisation wichtig sind?

I. Wie entsteht eine Unternehmenskultur?

Wenn wir im Deutschen von „Kultur“ sprechen, schwingen oft positive Konnotationen und Begriffe wie „Zivilisation, Hochkultur, Kunst und Humanismus“ mit. Jemand, der „keine Kultur hat“ oder „unkultiviert“ ist, weiß sich nicht zu benehmen. Ein schönes Beispiel dafür ist der eben schon erwähnte „Kulturbeutel“. 

Eine Unternehmenskultur zu haben, heißt aber nicht automatisch, dass mit den Mitarbeitenden besonders gut umgegangen wird oder die Organisation hohe ethische Ansprüche an ihre Arbeits- und Führungskultur stellt. Jede Organisation hat eine Kultur, ganz ohne Kulturprogramme und Wertedefinitionen. Sie entwickelt sich von alleine, wenn Menschen häufiger zusammenarbeiten und erfolgreiche Denk-, Vorgehens- und Verhaltensweisen sich in einer Gruppe längerfristig durchsetzen und zur Routine werden. Da immer wieder Neues mit Erfolgspotenzial ausprobiert wird, wandeln Kulturen sich kontinuierlich auch ohne Transformationsprogramme – gewollt oder ungewollt, zumindest solange eine gewisse Offenheit für das Ausprobieren und Veränderung gegeben ist. Auch von außen werden Unternehmenskulturen stetig geprägt: von gesellschaftlichen Werten und Trends, Politik, Gesetzen und Compliance-Erfordernissen, neuen Technologien, wissenschaftlichen Paradigmenwechseln oder auch ungeplanten Ereignissen, die uns zum Umdenken zwingen, wie z.B. die Corona-Pandemie und der Klimawandel.

Als Kollektive sind Unternehmenskulturen immer dynamisch und multikulturell – und zwar bei zunehmender Größe und Ausdifferenzierung der Organisation mit steigender Tendenz: Sie werden von den Menschen geformt, die in ihnen arbeiten. Diese sind als Kulturträger selbst geprägt von nationalkulturellen Werten, aber auch den Besonderheiten ihrer Branchen (Softwareentwicklung, Rechtsberatung, Konsumgüter, Versicherungen, Gesundheitswesen, Verwaltung etc.) und Berufsgruppen, die sich je nach ihrer Bedeutung für das Geschäftsmodell auf die Gesamtorganisation oder auch nur Subkulturen bestimmter Abteilungen auswirken. Auch entlang von informellen Netzwerken, ethnischen Gruppierungen oder Sprachen, Standorten, Geschlechtern, Altersgruppen, Betriebszugehörigkeiten und unterschiedlichen Hierarchiestufen können sich eigene Subkulturen formieren. 

Geeint werden die vielen Subkulturen durch die gemeinsame Aufgabe, den Daseinszweck der Organisation oder auch die Antwort auf die Frage, welchen Beitrag das Unternehmen für die Gesellschaft leisten will, jenseits der eigenen Profitziele und dem Schaffen von Arbeitsplätzen (Purpose). Zusätzlich kann es natürlich auch allgemeine Unternehmenswerte im ethisch-moralischen Sinne geben, wie z.B. Diversity, Chancengleichheit, Antidiskriminierung, Ökologie, die mit dem Zweck verknüpft sein können (z.B. eine ökologische Alternative zu einem bestehenden Produkt zu schaffen), aber auch in Konflikt mit den ökonomischen Zielen stehen können. Sie müssen daher wirklich gewollt werden, wenn sie an die Belegschaft oder nach außen kommunizier werden. Denn wichtiger als Werte-Proklamationen sind die tatsächlich gelebten Werte und das Schaffen von kulturellen Bedingungen im Unternehmen, die im Alltag ein Ausrichten des Verhaltens der Mitarbeitenden an den definierten Werten begünstigen. Im Zeitalter von Social Media wird nichtauthentisches Verhalten sonst schnell entlarvt und öffentlich gemacht.

II. Zwei Perspektiven zur Bestimmung der SOLL-Kultur

Was nun in den Kulturbeutel im Einzelfall rein soll, lässt sich grundsätzlich aus zwei Perspektiven beantworten: der Sichtweise der Mitarbeiter:innen und der Sichtweise des Managements. Aus beiden Blickwinkeln gibt es wohl ein paar Standards, die aus übergreifenden gesellschaftlichen Entwicklungen und Trends stammen, aber immer auch individuell zu bestimmende Komponenten. 

II. 1. Die Perspektive der Mitarbeiter:innen: Happiness first!

Aus Sicht der Mitarbeiter:innen lautet die Fragestellung ungefähr so: Was kann mir die Kultur des Unternehmens im Hinblick auf meine persönlichen Ziele und meine Lebenssituation bieten? Es geht um individuelle Glücklichmacher oder Unglücklichmacher, die der Job, das Team, die Organisation und sein Daseinszweck bieten. Relevant ist dabei oft weniger das tatsächliche Angebotsniveau als vielmehr das persönliche Umfeld, mit dem die einzelnen Personen sich vergleichen und an dem sie ihre Ansprüche orientieren. Wir befinden uns hier auf der Angebotsseite der Unternehmenskultur, die wichtig für das Recruiting und Employer Branding nach innen und außen ist, um Talente für das Unternehmen zu gewinnen und zu halten.

Happiness-Faktoren

Im Idealfall treffen die Mitarbeitenden ihre Arbeitgeberwahl natürlich auf der Basis von motivationsfördernden Jobkriterien: Passen die Aufgabeninhalte, Verantwortung und Arbeitsweise (z.B. auch Prozesse und Reglementierungen) zu mir? Kann ich in dieser Unternehmenskultur erfolgreich sein? Kann ich mich mit den angebotenen Produkten, Dienstleistungen und dem Image des Unternehmens identifizieren? Auch die Passung zu persönlichen Werten wie ökologischer Nachhaltigkeit, soziales Engagement, Fairness, Gleichbehandlung, Antidiskriminierung, Gesundheit, Ehrlichkeit können eine wichtige Rolle für die Identifikation und damit Entscheidung für das Unternehmen spielen. 

Von zentraler Bedeutung ist oftmals auch das Thema Vereinbarkeit: Wie weit ist der Weg zur Arbeit, kann ich die Arbeit mit meinen sonstigen Verpflichtungen und Hobbies unter einen Hut bringen? Wie flexibel und selbstbestimmt kann die Arbeit im Hinblick auf Zeit und Ort erbracht werden, kann ich meinen Hund mitbringen, habe ich als Teilzeitkraft Aufstiegschancen und bekomme ich in besonderen Situationen Unterstützung vom Arbeitgeber (Kinderbetreuung, psychologische Betreuung etc.)? Die Wünsche der Bewerber:innen und Mitarbeiter:innen können je nach Lebensphase, persönlicher Situation und Interessen stark variieren. 

Weitere Fragestellungen drehen sich um die Passung zu den Menschen im Unternehmen: Passe ich ins Team? Finde ich dort nette Kolleg:innen, vielleicht sogar Freunde, komme ich mit dem Führungsstil meiner Führungskraft klar, welcher Umgangston erwartet mich? Werde ich dort positiv aufgenommen, werde ich wertgeschätzt oder muss ich Angst vor Diskriminierung haben? Sollte ich erstmal shoppen gehen oder passt mein Kleidungsstil zum Dresscode? Eine gewisse Homogenität im Team wird von den Bewerber:innen dabei oft gewünscht: Gerne soll sich das Team aus Menschen mit ähnlichen Interessen, Einstellungen, Background und Alter zusammensetzen.

Hygiene-Artikel

Neben diesen eher individuellen Kulturfaktoren, dürfen ein paar grundlegende Hygiene-Artikel meist auch nicht fehlen. Denn für die Jobwahl spielen für Bewerber:innen weiterhin die Arbeitsplatzsicherheit und die zu verteilenden Reichtümer der Kultur in Form von Gehältern und Benefits eine Rolle. Attraktiv ist beim Gehalt, was dem Marktwert entspricht, gerne auch darüber liegt, und leicht zu erreichen ist. 

Auf Unternehmensseite heißt es oft, wer für Geld kommt, geht auch für Geld. Neben der Befürchtung, dass der neue Mitarbeitende schnell wieder weg ist, schwingt hier die Frage mit, welche Motivation von einer Person mittel- bis langfristig erwartet werden kann, wenn für den Wechsel nur das Gehalt und die Benefits entscheidend waren? Trotzdem ist jedem Arbeitgebenden klar, dass es ohne marktkonforme Gehälter nicht geht.

Gibt es neben Fixum und variablem Anteil weitere Benefits, müssen diese zu den individuellen Bedürfnissen und der Lebenssituation des Einzelnen passen, um attraktiv zu sein. Der eine möchte unbedingt ins Sportstudio gehen, der nächste auf keinen Fall. Was bringt ein Firmenwagen, wenn der Bewerbende keinen Führerschein hat, ein Zuschuss zur Kinderbetreuung, wenn der Großteil der Belegschaft noch vor der Familienplanung stehen oder die Kinder schon aus dem Haus sind, abendliche Teamevents, wenn die Eltern nach Hause müssen? Auch die Räumlichkeiten und die Ausstattung mit Arbeitsmitteln wirken auf die Arbeitgeberattraktivität. Dem einen ist das wichtiger, der anderen weniger. Je diverser die Belegschaft, desto vielfältiger werden die Anforderungen, um auf alle Bedürfnisse reagieren zu können.

Um eine gute (in diesem Fall attraktive) Unternehmenskultur zu gestalten, gilt es, die wichtigsten Touchpoints der eigenen Belegschaft im beruflichen Alltag zu identifizieren, diese von Schmerzpunkten zu befreien und eine positive Employee Experience zu schaffen. Anders ausgedrückt: Beim Packen des Unternehmenskulturbeutels sollte mitarbeiterzentriert vorgegangen werden. Je nach Zusammensetzung der Mitarbeiter:innen kann das ganz unterschiedliche Anforderungen mit sich bringen.

Als wäre das noch nicht komplex genug, kann es auch noch zu Konflikten zwischen den Erwartungen des Individuums und den Werten des Unternehmens kommen. Das Vergütungssystem ist ein zentraler Ansatzpunkt, um kulturkonforme Entscheidungen und Verhaltensweisen zu begünstigen. Wenn nun beispielsweise Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität als Werte implementiert werden sollen, passt der Firmenwagen mit Verbrennungsmotor nicht mehr ins Konzept, kurzfristige Management-Boni und Arbeitsverträge mit einer Dauer von zwei Jahren nicht zu einer nachhaltigen ökonomischen Ausrichtung. Team-Boni zur Förderung der Zusammenarbeit können für Mitarbeitende nicht interessant sein, wenn diese befürchten, damit von der Leistung anderer abhängig zu sein. Die Interessen des Individuums und die Incentivierungsmechanismen der gewünschten Unternehmenskultur können auseinanderfallen. 

II. 2. Die Perspektive des Managements: Strategy first!

Die Perspektive des leitenden Managements ist nicht nur von den Erwartungen und Anforderungen der eigenen Mitarbeiter:innen, sondern auch verschiedener Stakeholder wie Investor:innen, Eigentümer:innen, Banken, Kund:innen, Geschäftspartner:innen und der breiteren Öffentlichkeit geprägt. In diesem Kontext rücken Fragestellungen in den Vordergrund, die auf den Unternehmenserfolg abzielen: Wie kann die Kultur die eingeschlagene Strategie stützen, wie kann sie dem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und wie kann sie helfen, schädliches Verhalten zu vermeiden? Denn die Unternehmenskultur wirkt sich nicht nur auf die Motivation der Mitarbeiter:innen aus, sondern auch auf Verhaltensweisen gegenüber Kund:innen, Partner:innen und Dienstleister:innen. Das ist insbesondere in Branchen wichtig, in denen das Personal den Unterschied zwischen ansonsten eher vergleichbaren Angeboten schafft. Wer freut sich nicht über einen besonders guten Service, schnelle Reaktionen bei Reklamationen, eine besonders persönliche und herzliche Betreuung, verbindliche Rückmeldungen? Copy-Cats haben es beim Thema Unternehmenskultur eher schwer. Auf der anderen Seite kann eine unfreundliche Unternehmenskultur schnell kostspielig werden, wenn sie zu einer hohen Mitarbeiterfluktuation, Absentismus, Compliance-Verstößen, Sicherheitsmängeln oder Kundenbeschwerden führt. 

Strategie & Kultur

Da die Analyse der IST-Kultur, die Definition der SOLL-Kultur sowie die Entwicklung und Implementierung von Veränderungsprogrammen aufwändig und zeitintensiv sind, gewinnt die Beschäftigung mit Kulturfragen vor allem in Zeiten größerer Umbrüche an Bedeutung, z.B. wenn der Markt und das Mitbewerberumfeld die bisherige Strategie in Frage stellen oder die Kultur dysfunktional geworden ist, bei Managementwechseln oder Unternehmensverschmelzungen.

Bei der Erarbeitung der Strategie und SOLL-Kultur kann eine SWOT-Analyse hilfreich sein. Welche Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken des Geschäftsmodells können ausgemacht werden? Worauf beruht der bisherige Erfolg des Unternehmens? Welche Möglichkeiten ergeben sich aus der Entwicklung der Märkte, kurzfristiger Moden und langfristiger Megatrends im Unternehmenskontext? Was müsste passieren, damit die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens nicht mehr benötigt werden? Welche Anpassungen sollte das Unternehmen vornehmen, um auf externe Entwicklungen zu reagieren und rechtzeitig gegenzusteuern? 

Aus der ermittelten Strategie lässt sich die SOLL-Kultur ermitteln, welches Knowhow, welche Kompetenzen, Einstellungen und Verhaltensweisen aufseiten der Belegschaft benötigt werden, um den Bestand und Erfolg der Organisation zu sichern. Je nachdem, wie das Unternehmen seinen USP und seine künftige Ausrichtung definiert, in welcher wirtschaftlichen Situation es sich befindet, welche Marktsegmente oder Kundenbedürfnisse es bedienen möchte und wie das Mitbewerberumfeld sich entwickelt, kann die Antwort auf die Frage nach der perfekten Unternehmenskultur ganz unterschiedlich ausfallen. Auch Werte mit mäßigerem Happiness-Appeal für Mitarbeiter:innen wie z.B. Effizienz, Performance (z.B. auch als die viel bemühte Extrameile), Kostenreduktion und Prozessoptimierung wandern dann vielleicht in den Kulturbeutel. Wie groß der Veränderungsbedarf im Einzelnen ist, hängt davon ab, inwiefern IST- und SOLL-Kultur bereits überlappen

Es kann durchaus auch sinnvoll sein, unterschiedliche Werte oder Werte-Interpretationen für verschiedene Subkulturen zu bestimmen oder zu priorisieren, da innerhalb einer Organisation oft verschiedene Funktionen mit unterschiedlichen Aufgaben und Berufsgruppen arbeiten. So kann es in der Produktion wichtig sein, sich an genau festgelegte Prozesse zu halten, um Sicherheits- und Qualitätsstandards zu gewährleisten. In Rollen, die eine hohe Kreativität erfordern oder bei denen das Ergebnis entscheidender ist, könnte dies als Wert dagegen zu einschränkend wirken. Und während try-and-error in der Forschung und Entwicklung oder im Performance-Marketing Sinn machen kann, ist das in der laufenden Massenproduktion meist nicht zu empfehlen. 

So wie für Anforderungsprofile unterschiedlicher Stellen die jeweils relevanten Kompetenzen und ihre Ausprägungen definiert werden sollten, trifft nicht jeder für das Unternehmen definierte Wert auf jede Tätigkeit zu. Was bedeuten z.B. Transparenz und Offenheit genau, wenn mit sensiblen Personaldaten umgegangen werden muss? Es bedarf einer aufgabenspezifischen Operationalisierung der Unternehmenswerte, damit die Werte für die Mitarbeitenden verständlich und im Alltag handlungsleitend werden können.

Die Definition gewünschter Werte und Leitlinien reicht in der Regel auch nicht aus, um die strategiekonforme Wunschkultur zu etablieren. Wenn in einer Organisation bewusst oder unbewusst ein von den Werten abweichendes Verhalten belohnt wird oder die falschen Anreize gesetzt werden, können sich schnell Verhaltensweisen durchsetzen, die aus Sicht der Mitarbeiter:innen sinnvoll für die eigene Karriere oder die Befriedigung finanzieller Interessen sind, den langfristigen Unternehmensinteressen aber entgegenwirken.

Megatrends & wichtige Kulturelemente

Eine One-fits-all-Lösung gibt es also auch aus Sicht der Organisation nicht. Trotzdem gibt es einige Werte, die im Zuge von Megatrends wie Nachhaltigkeit, New Work und dem demographischen Wandel nicht vergessen werden sollten und wohl allgemeine Relevanz haben. Ansatzpunkte für Gestaltungsmaßnahmen durch People & Culture habe ich hier schon einmal behandelt.

Diversity schlägt Homogenität

Oft wird eine Kultur als stark bezeichnet, wenn sie sehr homogen ist, stringent und eindeutig kommuniziert und gelebt wird und ihre Ausrichtung durch offizielle Werte-Definitionen, Mission-Statements oder ein an Simon Sineks Golden Circle angelehntes WHY, HOW, WHAT untermauert ist. Gesucht und eingestellt werden dann bevorzugt Mitarbeiter:innen die diese Werte teilen und sich mit dem Unternehmenszweck identifizieren.

Leider gibt es keine Garantie, dass sich die einmal entstandene Arbeitskultur, möge sie noch so stark sein, auf Dauer positiv auf den Erfolg des Unternehmens auswirkt, denn die Welt ist komplex und verändert sich ständig. Die Best-Practice von gestern kann heute schon überholt sein, ausgeklügelte und erfolgreiche Incentive-Systeme können unerwünschte Folgen und Nebenwirkungen haben oder unter neuen Rahmenbedingungen nicht mehr funktionieren. 

Der Fortbestand von Unternehmen in der VUCA-Welt erfordert eine schnelle Anpassungs- und hohe Innovationsfähigkeit. Daher sollten die Unternehmenswerte auf Veränderung, Beobachtung des Umfelds und Perspektivenvielfalt ausgerichtet sein sowie lebenslanges Lernen und das Teilen von Wissen begünstigten. Eine zu homogene Kultur kann sich in diesem dynamischen und instabilen Umfeld mit seinen schnellen Veränderungen als nachteilig erweisen, da durch eine einseitige Weltsicht Chancen und Risiken leichter ausgeblendet werden, Paradigmenwechsel und neue Trends verschlafen werden. Homogene Kulturen sind also nicht per se besser oder stärker, denn sie funktionieren auf Dauer nur in stabilen Umfeldern. Im Gegenteil: Wer sich die Vielfalt seiner Belegschaft, unterschiedlicher Perspektiven und sozialer Netzwerke zunutze macht, gewinnt nicht nur aus humanistischer Sicht, sondern auch Vorteile für das Geschäft.

Aus dem bereits spürbaren demografischen Wandel folgt außerdem, dass sich viele Unternehmen künftig verstärkt mit den Bedürfnissen einer älteren Belegschaft und dem teilweise damit verbundenen Fachkräftemangel auseinandersetzen müssen. Unternehmen, die mit ihrer Personalpolitik freundliche und integrierende kulturelle Rahmenbedingungen für eine vielfältige Belegschaft und ihre Bedürfnisse schaffen, werden Vorteile haben. Auch ein Eintreten für ökologische Nachhaltigkeit in Verbindung mit gesunden und motivierenden Arbeitsbedingungen kann die Attraktivität als Arbeitgeber steigern.

Klimawandel & Ressourcenverknappung

Jedes Wirtschaftsunternehmen, das nachhaltig bestehen will, sollte sich heute auch fragen, wie sich der Klimawandel, die Ressourcenverknappung und die zu erwartende Zunahme staatlicher Regularien sowie ein steigendes Bewusstsein für ökologische Themen auf das eigene Geschäftsmodell und den Daseinszweck auswirken werden – auf der Seite der Kosten und Verfügbarkeit von Energie und Rohstoffen, aber auch auf der Seite der Nachfrage nach den Produkten und der Attraktivität als Arbeitsplatz für Arbeitnehmer:innen.

Das Konzept Nachhaltigkeit beschreibt das Ausbalancieren und Integrieren der drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Es eignet sich daher gut, um Zielkonflikte sichtbar zu machen und ausgewogene Lösungen zu finden. Übertragen auf Unternehmen heißt das, Profit sozial und ökologisch verantwortungsvoll zu erwirtschaften. Die 17 von der UN definierten Nachhaltigkeitsziele beinhalten u.a. auch soziale Diversity-Ziele.

Wirtschaftsunternehmen sind per Definition in der ökonomischen Dimension zu Hause und ihre strategischen Überlegungen setzen hier normalerweise zuerst an, wenn der Unternehmenszweck nicht bereits ökologisch oder sozial ausgerichtet ist. Allerdings wird der Druck auf Unternehmen zu nachhaltigerem Verhalten durch den Klimawandel, die damit verbundene Forderung nach CO2-Neutralität und die Ressourcenverknappung in den kommenden Jahren zunehmen. Nicht nur durch steigende Rohstoffpreise oder durch geschäftliche Risiken, die durch Naturkatastrophen und Extremwetterlagen entstehen, sondern auch durch eine weitere Zunahme gesetzlicher Auflagen hinsichtlich sozialer und ökologischer Themen. Denn effizientere und umweltfreundlichere Herstellungsmethoden allein aus Weitsicht und Eigenverantwortung der Unternehmen heraus werden nicht ausreichen, um die UN-Klimaschutzziele zu erreichen.

III. Strategie & Happiness

Rein theoretisch betrachtet, muss eine Unternehmenskultur nicht besonders gut im moralischen Sinn oder mitarbeiterfreundlich sein. Auch Organisationen, die auf Zwang, Ausbeutung, Angst und Druck aufbauen, können erfolgreich sein, zumindest solange es die Gesetzeslage zulässt oder sich nicht alle Mitarbeiter:innen etwas Netteres suchen können. Natürlich spielt das Personal als “Ressource” und Produktionsfaktor bei strategischen Überlegungen schon immer eine wichtige Rolle. Neben dem mengenmäßigen Bedarf wird meist auch definiert, welche Qualitäten das „richtige“ Personal mitbringen oder entwickeln muss, damit die Unternehmensziele erreicht werden können.

Wie man das richtige Personal aber auch tatsächlich an Bord bekommt, weiterentwickelt und hält (siehe Happiness), muss künftig bereits noch stärker mitgedacht werden. In Zeiten, in denen nicht mehr nur von einem Fachkräftemangel, sondern von Arbeiterlosigkeit gesprochen wird, kommt der Unternehmenskultur als Attraktivitätsfaktor eine zentrale strategische Bedeutung zu. Am Ende sollten daher beide Perspektiven auf der Suche nach der perfekten Unternehmenskultur integriert werden. Sonst sind die Koffer samt Kulturbeutel zwar gepackt, aber der Flieger fällt aus. 

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