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ESG, CSR, PPP, SDGs – Ist das ein Hip-Hop-Text oder kann das weg?

Posted in Betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement, Mission Sustainable, Nachhaltiges HR Management, Organisationsentwicklung, and Unternehmenskultur

ESG, CSR, PPP, SDGs – Die Fanta 4 hätten vermutlich ihre helle Freude an den vielen Abkürzungen gehabt. Doch was nach einem hitverdächtigen Text für einen Hip-Hop-Song klingt, entpuppt sich für Nachhaltigkeitsmanager:innen schnell als verwirrendes Labyrinth von Abkürzungen. “Einfach weg”, können die Konzepte trotzdem nicht, denn wir befinden uns mitten in der Nachhaltigkeitstransformation. Deshalb geht es im heutigen Beitrag darum, etwas Licht in den Irrgarten der unterschiedlichen Konzepte zu bringen, um die Wahl und Kombination für das eigene Unternehmen zu erleichtern sowie begleitende Ansätze vorzustellen, mit deren Hilfe Nachhaltigkeitskonzepte in der Unternehmenskultur verankert werden können. 

1. Raus aus dem Begriffslabyrinth

Nachhaltiges Handeln und Wirtschaften bedeutet, ökonomische, ökologische und soziale Interessen und Folgen des Handelns gleichermaßen zu berücksichtigen. Doch die Vielzahl der Konzepte ist groß und kann ein bisschen wahnsinnig machen, wenn man sich neu mit dem Thema beschäftigt: ESG (Environment, Social, Governance), CSR (Corporate Social Responsibility), PPP (People, Profit, Planet), CR (Corporate Responsibility), CG (Corporate Governance) oder CC (Corporate Citizenship), SDGs (Sustainability Development Goals): Wer blickt hier noch durch?

Mir persönlich gefällt von allen Abkürzungen das weniger bekannte  PPP (People, Profit, Planet) am besten, da das Konzept alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit umfasst und Unternehmen auffordert, im besten Falle in allen Bereichen einen Mehrwert zu leisten oder zumindest möglichst wenig Schaden zu verursachen. Die 3 „P“ sind auch in den 5 Kernbotschaften (den sogn. “5 Ps”: People, Planet, Prosperity, Peace und Partnership) enthalten, die den 17 SDGs der UN vorangestellt wurden. Diese eigenen sich wiederum gut als Leitstern für kleine und mittlere Unternehmen ohne umfassende Berichtspflichten als Ausgangspunkt und Leitstern für Nachhaltigkeitsmaßnahmen. 

Die am häufigsten in der Wirtschaft verwendeten Managementkonzepte sind heute allerdings ESG und CSR. In einem Beitrag des aktuellen Magazins „Verantwortung“ des F.A.Z. Instituts versuchen  Prof. Dr. David Risi und Prof. Dr. René Schmidpeter zumindest etwas Orientierung zu der unterschiedlichen Verwendung und den historischen Ursprüngen beider Begriffe zu geben. Ihre Kernthese lautet: „CSR braucht ESG – ESG braucht CSR”. Beide Konzepte sollten komplementär eingesetzt werden. Während ESG eine starke Compliance-Ausrichtung aufweist und durch regulatorische Anforderungen und Bewertungen zur Zukunftsfähigkeit durch externe Stakeholder (insbesondere Investoren) getrieben ist, beschreibt das Konzept CSR stärker die Eigeninitiative der Unternehmen und wie diese ihre soziale, ökologische, ethische und wirtschaftliche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrnehmen wollen. 

Eine integrative Sichtweise beider Konzepte kann dazu beitragen, eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben sowie auf die damit verbundenen unternehmerischen Pflichten und Chancen für die Organisation zu reagieren. Denn die Umsetzung von ESG-Maßnahmen hängt stark vom Willen und der Akzeptanz der Mitarbeitenden ab, diese auch zu unterstützen und in ihre Entscheidungen und im Arbeitsalltag einzubinden. Hier kommt das Konzept CSR ins Spiel: Es steht den Autoren zufolge in engerer Verbindung mit dem Unternehmenszweck, der Strategie und den Werten und findet im besten Fall Eingang in eine Orientierung stiftende Unternehmenskultur. Die kombinierte Anwendung beider Konzepte verknüpft die Übernahme unternehmerischer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft mit externen Anreizen und Kontrollen durch ESG-Kriterien und Reportings. 

Der Begriff CSR weist meiner Ansicht nach die Schwäche auf, dass die ökologische Verantwortung erst noch aktiv hinein definiert werden muss. Manchmal findet man daher auch schon die Kombination “CSR & Sustainability” in Positionsbezeichnungen von Verantwortlichen für den Bereich. Im Sinne des oben erwähnten Artikels einer kombinierten Verwendung beider Konzepte, kann „ESG“ aber sicher dazu beitragen, dass das „E“ bei der Definition des Bezugsrahmens für CSR nicht vergessen wird. 

Wichtiger als die tatsächliche Begriffswahl, die zum Einsatz kommt, finde ich die von den Autoren hervorgehobene Bedeutung von CSR als ergänzendes Managementkonzept, durch das die Compliance basierte und von außen angeschobene Nachhaltigkeitstransformation bei den Menschen in der Organisation erst wirklich handlungsleitend werden kann. Denn ohne eine interne Identifikation mit der Thematik und die Entwicklung und Umsetzung geeigneter Maßnahmen werden ESG-Berichte oder ähnliche Reports schnell zu einem wenig geliebten zyklischen Ritual, das nur Stillstand oder zufällige Veränderungen abbildet.

2. Ansätze für die Implementierung von Nachhaltigkeit in der Unternehmenskultur

Im Folgenden findet ihr einige Handlungsansätze zur Verankerung von Nachhaltigkeit in der Unternehmenskultur.

1. Produkt, Dienstleistung, Prozesse

Der wirkungsvollste Ansatz liegt natürlich direkt beim Unternehmenszweck bzw. den Produkten, Dienstleistungen und mit der Herstellung und Vermarktung verbundenen Prozessen. Wenn der Unternehmenszweck direkt auf ökologische und soziale Mehrwerte oder Produktalternativen einzahlt, besteht auch die geringste Gefahr, dass die Kommunikation der Unternehmenswerte sich Vorwürfen des Green- oder Pinkwashing stellen muss. Aber auch kleine Schritte zählen: Jedes Unternehmen kann die folgenden Nachhaltigkeitsstrategien und Designprinzipien zur Orientierung heranziehen, um seine Prozesse, Produkte und Dienstleistungen nachhaltiger zu gestalten oder gar neue Geschäftsmodelle zu entwickeln: 

  • Suffizienz (z.B. Slow Food, Car-Sharing, Verschwendung reduzieren), 
  • Konsistenz (z.B. Kreislaufwirtschaft / Cradle-to-Cradle / Recycling, Leihe statt Kauf) und 
  • Effizienz (weniger Ressourcen im Vergleich zum Output).

2. Etablieren von Nachhaltigkeit als bewussten Wert

Eine tiefgreifende Verankerung von Werten in der Unternehmenskultur ist nicht einfach und benötigt viel Zeit, gerade wenn es darum geht, zum eigentlichen „Kulturkern“ vorzudringen. In Wirtschaftsunternehmen genießen ökonomische Interessen allein aufgrund des Systems und Organisationszwecks normalerweise Priorität. Die Einbindung der sozialen und ökologischen Dimension kann daher immer wieder auf unternehmenskulturelle Hindernisse und Widerstände stoßen.

Im Kulturmodell des Organisationspsychologen Edgar H. Schein findet sich der Kern einer Kultur auf der tiefsten Ebene, wo die unbewussten Grundannahmen angesiedelt ist, die von der Gruppe kaum noch hinterfragt werden und die stark die Wahrnehmung, die Emotionen und das Denken beeinflussen. Ich denke, das lässt sich im aktuellen gesamtgesellschaftlichen Diskurs rund um den Klimawandel sehr gut beobachten. Jeder Kulturwandel bzw. jede „Transformation“, die ein neues „Mindset“ erfordert, tut auch weh – manchen mehr, anderen weniger, je nachdem, wie die eignen Grundannahmen betroffen sind. Je größer das Unternehmen ist und je weniger bisher bei der Auswahl der Mitarbeitenden auf eine zum Unternehmen passende Einstellung bezüglich Nachhaltigkeit geachtet wurde, desto unterschiedlicher können die Grundannahmen zu Themen der sozialen und ökologischen Verantwortung beschaffen sein (von “völlig unnötig” oder “geschäftsschädigend” bis hin zu “wichtig für den Fortbestand des Unternehmens” und “oberste Priorität für das Überleben der Menschheit”). Die gute Nachricht: Wie der Kulturwissenschaftler und Sozialpsychologe Geert Hofstede in seinen länderübergreifenden Studien zu Unternehmenskulturen gezeigt hat, reicht es im Unternehmenskontext in der Regel aus, an den weiter oben liegenden Schichten der Kultur anzusetzen. Diese heißen bei ihm „Praktiken“ und können von Außenstehenden leichter übernommen werden, als eine Veränderung der während des Heranwachsen erworbenen Grundwerte.

Wenn ökologische und soziale Verantwortungsthemen als Werte etabliert und damit Teil der Unternehmensphilosophie oder -ideologie werden, egal ob sie als ESG, CSR oder mit alternativen Begriffen bezeichnet werden oder ob anfangs nur Teilbereiche wie DEI benannt werden, sobald sie auf Websites, in der Unternehmenskommunikation, in Verhaltensrichtlinien, den Code of Conduct u. ä. Publikationen aufgenommen werden, ist zumindest ein erster Schritt getan. Nachhaltigkeit wird damit Teil der offiziellen und bewussten Wertvorstellungen, Prioritäten und Standards der Zielkultur, auch wenn die Werte in der Realität vielleicht noch nicht immer “von innen heraus” und von allen gelebt werden. Aber zumindest ist eine Richtung vorgegeben. Dafür zu sorgen, dass die Kultur dann auch gelebt wird und in allen Bereichen des Unternehmens Eingang findet, ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess.

3. People & Organisation

Wichtige Ansatzpunkte für die Gestaltung der Unternehmenskultur finden sich im Einflussbereich der Personalabteilung.

3.1 Stellenbeschreibungen, Einstellungen und Beförderungen:

Wenn CSR oder ESG ernst genommen werden sollen, müssen ihre Inhalte und Ziele Bestandteil von Stellenbeschreibungen werden. 

Bei Einstellungen und Beförderungen sollte auf eine Passung zu den Werten geachtet werden. Auch Sanktionen im Falle von Werteverstößen sagen viel darüber aus, ob die Kultur am Ende des Tage gelebt wird.

3.2 Leistungsbeurteilungen und Vergütungssysteme:

Die Inhalte und Ziele der Stellenbeschreibungen sollten sich dann auch in entsprechenden Kennzahlen, Vergütungssystemen sowie Leistungsbeurteilungen widerspiegeln. Kurzfristige Management-Boni und Arbeitsverträge mit einer Zweijahresdauer unterstützen z.B. keine nachhaltige ökonomischen Ausrichtung und auch der Firmenwagen mit Verbrennungsmotor hat als Benefit dann ausgedient.

3.3 Learning & Development

Wichtig ist die Durchführung von Schulungen und Workshops (nicht nur für Führungskräfte) zum Thema Nachhaltigkeit, um das Know-how sowie ein Bewusstsein für Aspekte sozialer und ökologischer Verantwortung aufzubauen. Dazu gehört auch, Netzwerke für einen externen Austausch zu bilden sowie Best Practices und Know-how im Bereich Nachhaltigkeit außerhalb des Unternehmens zu teilen – schließlich sitzen wir alle im gleichen Boot.

3.4 Nachhaltigkeitsinitiativen & Innovationsmanagement

Die aktive Beteiligung der Mitarbeitenden an Nachhaltigkeitsinitiativen bietet diesen die Möglichkeit, eigene Ideen und Vorschläge einzubringen und einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten. Auch Corporate-Volunteering-Tage können hierbei eine Rolle spielen. Verbesserungen von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen (1.) können durch konkrete Workshops unterstützt werden, bei denen z.B. Kreativ-Methoden wie Design Thinking zum Einsatz kommen. Das fördert sowohl die Motivation und Identifikation der Mitarbeitenden als auch die Innovationsfähigkeit des Unternehmens allgemein, schließlich geht es auch um ökonomische Nachhaltigkeit.

3.5 Nachhaltigkeitsbotschafter:innen

Für mehr Sichtbarkeit des Themas können auch Nachhaltigkeitsbotschafter:innen innerhalb des Unternehmens eingesetzt werden, die als Anlaufstelle für Fragen und Anliegen in Bezug auf Nachhaltigkeit dienen und andere Mitarbeitende motivieren und inspirieren können, nachhaltige Praktiken zu übernehmen.

4. Ressourcen:

Zeit, Geld, Personal, Wertschätzung in Form von Aufmerksamkeit – all das trägt dazu bei, dass Nachhaltigkeit im Unternehmen ernst genommen wird und Mitarbeitende sich ermutigt fühlen, die Themen voranzutreiben und in ihr tägliches Handeln zu integrieren.

3. Ein ganzheitlicher Ansatz ist wichtig

In der Praxis ist es sicher hilfreich, wenn Unternehmen die interne Verwendung bereits vorhandener Konzepte wie ESG und CSR genauer definieren. Die Verantwortlichen (wenn es nicht nur eine verantwortliche Stelle gibt) sollten in engem Austausch stehen und nicht an verschiedenen Baustellen bzw. in verschiedenen Abteilungen (z.B. P&O, Produktentwicklung, Unternehmenskommunikation, ESG-Verantwortliche) aneinander vorbei arbeiten, sondern Synergien nutzen. Wichtig ist, dass die Transformation ganzheitlich angegangen und nachhaltige Praktiken von einflussreichen Mitgliedern wie den Führungskräften und der Unternehmensspitze dauerhaft vorgelebt und gefördert werden. Wenn sich dann noch eine Hip-Hop-Band findet, welche die ganzen Abkürzungen für Nachhaltigkeitskonzepte vertonen will: Warum nicht? Es schadet ihrem Bekanntheitsgrad und ihrer Popularität auf keinen Fall!

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