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Diversity & Inclusion: Lästige Pflicht oder Wettbewerbsvorteil?

Posted in Betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement, Nachhaltiges HR Management, and Organisationsentwicklung

Der 4-jährige Sohn einer Freundin wurde einmal gefragt, was der Unterschied zwischen Jungen und Mädchen ist. Seine spontane Antwort: Mädchen haben ein eigenes Zimmer. Dies entsprach seiner Lebensrealität. Während seine großen Schwestern bereits beide ein eigenes Zimmer hatten, musste er seines noch mit seinem kleinen Bruder teilen. Eine Benachteiligung aufgrund des Alters deutete er als Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. Andere kleine Jungen sollen ihre Eltern schon gefragt haben, ob Männer auch Bundeskanzlerin werden können. Beide Beispiele zeigen, dass wir Geschlechterrollen und -bilder erst im Laufe unseres Heranwachsens erlernen. Sie verändern sich über Generationen durch neue gesellschaftliche und familiäre Vorbilder, sind abhängig von unserer eigenen Wahrnehmung und Interpretation. 

Anfang Januar hat das Bundeskabinett nun einen Gesetzesentwurf zur Einführung einer verpflichtenden Frauenquote an der Spitze großer börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen beschlossen. Die Regelung sieht vor, dass in einem Vorstand mit mehr als drei Mitgliedern mindestens eines eine Frau sein muss, sonst bleibt die Stelle unbesetzt. Auch wenn Quotenregelungen sicher nicht nur Vorteile mit sich bringen und nur wenige Unternehmen von dem neuen Gesetzesentwurf betroffen sein werden, geht von dem Beschluss doch eine wichtige Signalwirkung aus und schafft vorgelagert eine höhere Notwendigkeit, in die Förderung von Frauen zu investieren und strukturelle Hindernisse zu beseitigen.

Die Beschäftigung mit Quotenreglungen ist immer auch mit der Frage verknüpft, ob es einen Nutzen jenseits ethisch-moralischer Werte wie der Geschlechtergleichstellung gibt, wenn mehr Frauen an der Spitze von Unternehmen sitzen oder ob Quotenregelungen dem Unternehmenserfolg sogar schaden. Bringt Vielfalt Vorteile für Organisationen oder schaffen Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsgesetze nur lästige Pflichten für Arbeitgeber*innen? 

Diversity & Inclusion

Diversity ist ein gesellschaftspolitisches und organisatorisches Konzept, das sich für einen bewussten, wertschätzenden und antidiskriminierenden Umgang mit Vielfalt einsetzt. Jeder Mensch ist einzigartig und trägt  damit zur Vielfalt in der Gesellschaft bei. Der Begriff Diversity bezieht sich dabei auf alle Arten von Merkmalen, die durch Unterschiede und Gemeinsamkeiten gekennzeichnet sind. Keine gesellschaftliche Gruppe sollte bei dem, was wir tun, diskriminiert oder nicht berücksichtigt werden. Der mit dem Diversity-Konzept eng verbundene Begriff Inclusion steht für das vollständige Einbeziehen aller Menschen in die gesellschaftlichen Interaktionen und Kommunikation. 

Dimensionen von Vielfalt

Dimensionen von Vielfalt können sich auf sichtbare oder unsichtbare Merkmale von Menschen beziehen und bestimmen ihre persönliche Identität. Zu den wichtigsten zählen das Geschlecht, das Alter, die soziale und ethnische Herkunft und Nationalität, Weltanschauung/Religion, die sexuelle Orientierung sowie die physische und psychische Verfassung. Diese Primärdimensionen von Vielfalt verweisen zugleich auf die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen kulturellen (kollektiven) Identitäten, die wir im Rahmen unserer gesellschaftlichen Sozialisation erwerben. 

Im Arbeitskontext können neben den genannten Primärfaktoren zudem weitere Merkmale eine Rolle spielen, wie z.B. der Familienstand, die Berufsgruppenzugehörigkeit oder die Art des Vertragsverhältnisses (Teilzeit, Befristung etc.), auf Basis derer eine Person benachteiligt werden kann, aber auch unterschiedliche Perspektiven und Potentiale in das Unternehmen trägt.

Intersektionalität und Stereotype

Eine Person kann nicht nur entlang einer sozialen Kategorie Diskriminierung erfahren, sondern auch entlang mehrerer (Intersektionalität). Weil alle Menschen nicht nur in eine Kategorie passen, sondern verschiedene Merkmalsausprägungen und Gruppenzugehörigkeiten aufweisen, bestehen immer Unterscheide (z.B. Geschlecht) und Gemeinsamkeiten (z.B. Alter) zwischen zwei Personen. Zum Bespiel kann eine Frau zugleich als jung, Türkin und homosexuell beschrieben werden und verfügt entlang dieser Einordnungen über unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen. Die Merkmale stehen in Wechselbeziehungen und können sich hinsichtlich Benachteiligungen oder Begünstigungen verstärken oder abschwächen. Auch die oft binär gedachten sozialen Kategorien wie „jung/alt“, „männlich/weiblich“, „behindert/nicht behindert“ an sich sind heterogen. Wann welche Unterschiede hervorgehoben, beobachtet und relevant für (benachteiligende oder begünstigende) Bewertungen werden (doing difference), hängt dabei immer auch vom Kontext ab. 

Stereotype sind sozial geteiltes Wissen über bestimmten Personengruppen zugeschriebene typische Merkmale, die uns dabei helfen, die Komplexität der Welt zu reduzieren. Sie wirken aber auch diskriminierend, wenn sie z.B. in Personalauswahlprozessen aktualisiert werden. So kann es zum Bespiel dazu kommen, dass ein Mann bei einer Beförderung bevorzugt wird, da seine Kollegin gerade geheiratet hat und daraus abgeleitet wird, dass sie nun bald Kinder bekommen wird und dann aus dem Job aussteigt. In diesem Fall wird nicht mehr auf der Basis von Leistungskriterien entschieden, sondern auf der Basis von Annahmen, die aus Stereotpyen resultieren. Daraus folgt, dass sich Strukturen verfestigen und es in Zukunft weniger Frauen mit Führungserfahrung gibt, die später auch noch für höhere Leitungsebenen in Frage kommen. 

Diversity & soziale Nachhaltigkeit

Gleichstellung, Gleichbehandlung und Chancengleichheit sind zentrale Werte einer nachhaltigen Unternehmenskultur. Sie stehen in direkter Verbindung zu den UN Sustainable Development Goals SDG 10 (Diversity-Ziel) und SDG 5 (Geschlechtergleichstellung). Beide Ziele stehen für den Abbau ökonomischer und sozialer Ungleichheiten, und zwar sowohl zwischen Staaten als auch innerhalb eines Staates. Das vollständige Einbeziehen aller Menschen in alle gesellschaftlichen Bereiche wird drüber hinaus in den SDG 4, „Hochwertige Bildung“, SDG 11, „Nachhaltige Städte & Gemeinden“, und SDG 16, „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“, thematisiert. Unternehmen, die zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen möchten und Nachhaltigkeit als Wert nach außen vertreten, müssen daher auf Fairness und Anti-Diskriminierung in der Zusammenarbeit und Kommunikation mit den eigenen Mitarbeitern, Bewerbern, Leistungspartnern und entlang der Supply Chain achten, um authentisch zu bleiben. 

Seit 2006 können deutsche Unternehmen zu ihrer Selbstverpflichtung auch die Charta der Vielfalt unterzeichnen. Die Charta der Vielfalt unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin sowie der gleichnamige Verein vertreten die Ansicht, dass sich die deutsche Wirtschaft aufgrund demografischer Veränderungen und des damit verbundenen Fachkräftemangels für neue Zielgruppen öffnen muss und von einer diversen Belegschaft zudem aufgrund ihrer globalen Vernetzung profitiert. Die Unterzeichnenden verpflichten sich, eine inklusive Organisationskultur zu schaffen, in der Diversity Wertschätzung und Anerkennung erfährt. Ziel ist es außerdem, Best Practices für Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen zu dokumentieren, von deren Erfahrungen sich andere Unternehmen inspirieren lassen können.  

Neben einer freiwilligen Orientierung an den UN-Zielen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung oder der Charta der Vielfalt gibt es allerdings auch gesetzliche Regelungen, die Organisationen in Bezug auf Diversity-Themen einhalten müssen.

Diversity & Compliance 

Die Beschäftigung von Unternehmen mit Diversity ist kein freiwilliges „Nice-to-have“ zum Aufpolieren des Images und guten Gewissens. Es gibt eine Reihe von internationalen und nationalen Regelungen, die Diversity gesetzlich verankern. Zu nennen sind hier insbesondere das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), der EU-Vertrag, das Grundgesetz (Artikel 1 und Artikel 3), die UN-Menschenrechte (Artikel 2, Verbot der Diskriminierung) und das ChancenG (Gesetz zu Verwirklichung der Chancengleichheit).

Kapitalmarktorientierte Unternehmen, Finanzinstitute und Versicherungen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von über 20 Millionen Euro oder einem Umsatz von über 40 Millionen Euro unterliegen seit 2017 auch einer Berichtspflicht zu nichtfinanziellen, ökologischen und sozialen Belangen, die auch Diversity-Themen beinhalten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) der EU-Richtlinie 2014/95/EU).

Im HR-Alltag (Recruiting, Personalentwicklung etc.) spielt insbesondere das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Rolle, das 2006 in Kraft trat. Das Ziel des Gesetzes ist es, dass niemand aufgrund seiner Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder sexuellen Identität schlechter gestellt wird. Entsprechende Benachteiligungen müssen beseitigt werden. Bei Verstößen kann es zu Ansprüchen auf Schadensersatz oder Entschädigung kommen.

Arbeitgeber mit mehr als 20 Arbeitsplätzen sind zudem verpflichtet, mindestens 5 % ihrer Stellen mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen (Sozialgesetzbuch IX). Wird die Quote nicht erfüllt, fällt eine Ausgleichsabgabe an. Mit den Mitteln aus der Abgabe werden Integrationsunternehmen unterstützt, die mindestens 25 % ihrer Stellen an Mitarbeiter*innen vergeben, denen von den Versorgungsämtern eine Schwerbehinderung, d.h. ein Grad der Behinderung von 50 oder mehr, bestätigt wurde.

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) verfolgt das Ziel, Teilzeitarbeit zu fördern, die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge zu bestimmen und die Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten und befristet beschäftigten Arbeitnehmer*innen zu verhindern.

Das Entgelttransparenzgesetz, das 2017 in Kraft getreten ist, hat zum Ziel, das gleiche Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchzusetzen. Es sieht einen individuellen Auskunftsanspruch zum durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt und bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen vor, greift aber nur bei Betrieben, die in der Regel mehr als 200 Beschäftige bei demselben Arbeitgeber aufweisen. Zudem müssen mindestens sechs Mitarbeiter*innen in der Vergleichsgruppe arbeiten. Arbeitgeber*innen, die in der Regel mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen und einen Lagebericht nach Handelsrecht erstellen müssen, sind ab 2018 darüber hinaus verpflichtet, einen Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit abzugeben. In diesem müssen sie ihre Maßnahmen zur Gleichstellungsförderung von Frauen und Männern und deren Wirkung für die Herstellung von Entgeltgleichheit genau ausarbeiten.

Diversity & ökonomische Nachhaltigkeit

Die Auseinandersetzung mit Diversity beginnt oft mit Compliance-Erfordernissen, CSR-Berichtspflichten oder ethisch-moralischen Selbstverpflichtungen. Studien wie „Delivering through Diversity“ von McKinsey (2018) weisen aber darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen diversen Teams und handfesten Wettbewerbsvorteilen gibt, die eine Beschäftigung mit Vielfalt im eigenen Unternehmen auch ökonomisch sinnvoll macht.

Märkte und Kundensegmente

Wird die Perspektivenvielfalt einer diversen Belegschaft im Unternehmen bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen genutzt,  kann eine Belegschaft, die in ihrer Zusammensetzung auch die Diversität der sie umgebenden Gesellschaft und Stakeholder abbildet, dazu beitragen, neue Zielgruppen und internationale Märkte zu erschließen, bestehende Kundensegmente noch besser zu bedienen oder in der Werbung optimal anzusprechen (z. B. Frauen, ethnische Minderheiten, LGBTQ+-Communities). Wenn Mitarbeiter*innen im Unternehmen zudem nicht nur ausschnittsweise als Inhaber einer fachlichen Rolle wahrgenommen und wertgeschätzt werden, sondern als Menschen mit vielfältigen Eigenschaften, Fähigkeiten und Potenzialen, steigt auch ihre Arbeitszufriedenheit, was wiederum auf damit verbundene Kosten- und Leistungsfaktoren wirkt.

Reputation & Image

Protestbewegungen wie #blacklivesmatter und #metoo mobilisieren breite Bevölkerungsschichten und finden große Resonanz in der Presse und den sozialen Medien. Auch heute sehen sich noch viele Menschen in ihrem Alltag mit Rassismus, Sexismus, Homo- und Transphobie, Ableismus, sexualisierter Gewalt und diskriminierendem Verhalten konfrontiert und leiden darunter. 

Unternehmen, die sich gegen diskriminierendes Verhalten stark machen, Präventationsmaßnahmen entwickeln und ein benachteiligungsfreies Arbeitsumfeld fördern, positionieren sich auf dem Bewerbermarkt im „War for Talents“ als attraktive Arbeitgeber bei unterschiedlichen Gruppen potentieller Arbeitnehmer*innen. Nach innen wirkt sich die Wertschätzung von Vielfalt und Chancengleichheit positiv auf die Identifikation der Mitarbeiter*innen mit dem Unternehmen aus. Die emotionale Bindung und das Engagement steigen. Auf den Absatzmärkten wird durch ethisches Verhalten die Unternehmensmarke gestärkt. Umgekehrt können Diskriminierungsvorwürfe gegen Unternehmen heute schnell zu Reputations- und Imageverlusten führen. 

Zukunftsfähigkeit

Unternehmen, die sich ökonomisch nachhaltig aufstellen möchten, müssen in einem komplexen, volatilen, unsicheren und mehrdeutigen Umfeld schnell reagieren können, um Anpassungen und Innovationen hervorzubringen, die ihren Fortbestand sichern. Monokulturen können sich hier als hinderlich erweisen, während Perspektivenvielfalt dazu beiträgt, die kulturellen Scheuklappen abzulegen und Veränderungen (durch neue Technologien, Wertewandel, demografische Veränderungen etc.) rechtzeitig zu antizipieren. Organisationen mit einer diversen Belegschaft verfügen über breitere Talentpools, aus denen sie ihre Fähigkeiten (Sprachkenntnisse, interkulturelles Knowhow, Fähigkeiten und Kenntnisse aus Freizeitinteressen etc.) beziehen können, um in dieser, sich verändernden Welt erfolgreich zu bleiben.

Verschiedene akademische Studien, die in einem Artikel des Harvard Business Review (2016) zusammengefasst wurden, weisen zudem darauf hin, das gemischte Teams bessere Entscheidungen erarbeiten, da sie bei der Entscheidungsfindung faktenbasierter vorgehen und ihre Annahmen weniger durch Vorurteile verzerrt sind. Da diverse Gruppen verschiedene Erfahrungen, Perspektiven und Ansätze einbinden, erweisen sie sich auch als innovativer und kreativer als monokulturelle Teams, und zwar insbesondere bei der Lösung komplexer, neuer Probleme. 

Diversity & ökologische Nachhaltigkeit

Diversity zahlt also nicht nur auf die soziale, sondern auch auf die ökonomische Nachhaltigkeitsdimension ein. Werden über die Diversität auch ökologische Perspektiven in das Unternehmen getragen (z.B. ökologische Strategien wie Suffizienz, Effizienz oder Konsistenz in die Produktentwicklung), wird durch Diversity zu allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ein Beitrag geleistet. Aufgrund der globalen Verflochtenheit der Wirtschaft kann wirkliche Gleichstellung auch nur erreicht werden, wenn diskriminierende Gesetze, Einstellungen und Praktiken weltweit reduziert werden, wie es mit den 17 UN Sustainable Goals angestrebt wird. Solange z.B. nicht alle Geschlechter im Arbeitskontext als Ansprechpartner im Ausland akzeptiert werden, wirkt sich das auch auf die Stellenbesetzung und Beförderungspraxis in Deutschland aus. Unternehmen können daher z.B. auch einen Beitrag zur Gleichstellung leisten, wenn sie in die Ausbildung von Mädchen in Entwicklungsländern investieren, die diesen einen verbesserten Zugang zum Arbeitsmarkt und finanzielle Unabhängigkeit ermöglichen. Frühere Erfahrungen haben zudem gezeigt, dass die Geburtenrate sinkt, wenn das Bildungsniveau und die Beschäftigungschancen für Frauen verbessert werden, was wiederum der Überbevölkerung der Erde entgegenwirkt. Werden Ausbildungen unterstützt, welche die Entwicklung nachhaltiger Technologien, Produkte und Materialien sowie effizienterer Herstellungsprozesse begünstigen, ergeben sich auch Effekte in der ökologischen Dimension der Nachhaltigkeit.

Business Case: Individuelle Diversity-Strategie entwickeln

Eine diverse Belegschaft alleine führt nicht zwangsweise nur zu Vorteilen für Unternehmen. Neben den genannten Chancen bringt Heterogenität auch vielfältigere Bedürfnisse der Belegschaft mit sich. Sie kann daher auch zu Bruchlinien führen, die den Kommunikationsfluss, die Produktivität und den Zusammenhalt beeinträchtigen und Konflikte auslösen. Um die Potenziale von Diversity ausschöpfen zu können, muss jedes Unternehmen individuell bestimmen, wie Vielfalt – über Antidiskriminierung/Compliance hinaus – sinnvoll mit der Unternehmensstrategie verknüpft wird und welchen Mehrwert das Konzept in der aktuellen Unternehmenssituation und im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext mit sich bringt. Ferner muss überlegt werden, in welchen Bereichen und Positionen im Unternehmen (z.B. im Kundendienst oder Forschung & Entwicklung) es den meisten Einfluss auf den Erfolg hat. 

Gerade zu Anfang ist die Entwicklung und Implementierung einer Diversity-Strategie auch mit zeitlichem Aufwand und Investitionen verbunden. Daher sollte auch ermittelt werden, welche Kosten eine höhere Diversität oder ausgewählte Maßnahmen (z.B. Umstellung der Unternehmenssprache) mit sich bringen. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist Vielfalt innerhalb der Belegschaft, insbesondere für Unternehmen interessant, die vielfältige Kundensegmente und internationale Märkte bedienen wollen, großen Herausforderungen bei der Gewinnung und Bindung von Mitarbeiter*innen begegnen und/oder einem hohen Innovationsdruck unterliegen. In diesem Kontext wird Diversity zu einem echten Wettbewerbsvorteil.

Ganzheitliches Diversity Management

Gesetze fördern die Auseinandersetzung mit Themen wie Nachhaltigkeit und Antidiskriminierung und bilden daher eine wichtige Grundlage, um Veränderungen anzustoßen. Allerdings reichen sie alleine nicht aus, um eine Veränderung des Mindset sowie von Prozessen und Strukturen in Organisationen zu bewirken. Es wird zur Aufgabe des Personalmanagements oder speziell benannter Diversity Manager, Prozesse, Strukturen und Praktiken im Hinblick auf offensichtliche oder versteckte Benachteiligungen zu untersuchen und alle Mitarbeiter über den Mehrwert von Vielfalt aufzuklären und für die Thematik zu sensibilisieren. 

Besser als durch einen Flickenteppich an Maßnahmen für unterschiedliche Zielgruppen wie Frauen, Behinderte, ältere Mitarbeiter*innen oder bestimmte ethnische Minderheiten, können die Potenziale aus einer diversen Belegschaft durch ein systematisches Diversity-Management ausgeschöpft und für den Unternehmenserfolg genutzt werden. Auch für die Handhabung und den Abbau aus der Vielfalt resultierender potentieller Spannungen bietet sich in der Praxis des Diversity Managements eine ganzheitliche Sicht- und Herangehensweise an. 

Die Herausforderungen an ein intersektionales und inklusives Diversitätsmanagement bestehen darin, Maßnahmen zu entwickeln, durch das Unterschiede einerseits anerkannt, wertgeschätzt und mehrwertstiftend genutzt werden, andererseits aber soziale Kategorien durch ihr explizites Zielgruppenmanagement nicht verfestigt werden. Der Heterogenität (oft binär gedachter) Kategorien wie Geschlecht, Alter etc. sollte Aufmerksamkeit geschenkt und auch die Bedürfnisse von Mehrheiten nicht vergessen werden, z.B. in dem der Blick stärker auf Bedürfnisse in bestimmten Lebenssituationen und -phasen als auf die sozialen Kategorien gerichtet wird (z.B. Vereinbarkeit nicht nur als Frauenthema, sondern auch für Väter oder Menschen ohne Kinder).

Um Vielfalt im Unternehmen zu verankern und die mit der individuellen Diversity-Strategie verknüpften Wettbewerbspotenziale nutzen zu können, muss eine Unternehmenskultur geschaffen werden, die Vielfalt ermöglicht, wahrnimmt und wertschätzt. Um dieses Thema und was passiert, wenn Diversity auf den “Cultural Fit” in der Personalauswahl trifft, wird es in den nächsten beiden Artikeln in diesem Blog gehen.

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