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Nachhaltigkeit

1. Was versteht man unter Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit bedeutet, dass ökonomische, soziale und ökologische Anliegen ausbalanciert und gleichermaßen berücksichtigt werden. Beim Wirtschaften sollen innerhalb eines Zeitraums nicht mehr natürliche Ressourcen verbraucht werden, als unser Planet bieten und erneuern kann. Dies geht einher mit Verantwortung für alle weltweit lebenden Menschen, aber auch für kommende Generationen und deren Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung, die mit den unseren vergleichbar sein sollen.

In Nachhaltigkeitsbegriffen, die für den unternehmerischen Kontext entwickelt wurden, schwingt darüber hinaus die Forderung nach einem positiven Impact des ökonomischen Handels mit. Der Wirtschaftsjournalist John Elkington prägte den Begriff der „Triple-Bottom-Line“ (TBL): Der unternehmerische Erfolg soll sich danach „unter dem Strich“ aus sozialen, ökologischen und ökonomischen Werten errechnen. Die konventionelle, rein ökonomische Gewinn- und Verlustrechnung wird um soziale und ökologische Kosten (z.B. durch Verschmutzung von Gewässern, Luft, Ressourcenverbrauch, soziale Ungleichheit, Ausbeutung, Gesundheitsschäden) oder Gewinne (z.B. Ausbildung über den eigenen Bedarf, Abfall als Ressource) erweitert. Ein Unternehmen soll in allen drei Dimensionen seine Leistung messen und steigern. Nachhaltiges unternehmerisches Handeln und Entscheiden zeichnet sich dadurch aus, dass es in allen drei Bereichen „People, Profit, Planet (PPP)“ einen Mehrwert schafft oder zumindest in den anderen keinen Schaden anrichtet.

Das ökonomische Ziel, Profit zu erwirtschaften, muss also sozial und ökologisch verantwortungsvoll erreicht werden. Wichtig ist, dass Nachhaltigkeit im Kerngeschäft und in der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens verankert wird. Es reicht nicht aus, einen Teil der Gewinne für soziale oder ökologische Themen zur Verfügung zu stellen.

2. Nachhaltigkeitsmodelle

Es gibt verschiedene Modelle, die das Thema Nachhaltigkeit visuell veranschaulichen: Das Drei-Säulen-Modell, in dem die drei Dimensionen parallele Säulen der Nachhaltigkeit bilden, das Schnittmengen-Modell, in dem es Überschneidungen der Bereiche gibt und das Nachhaltigkeitsdreieck, das am besten die gleichmäßige Gewichtung und Integration aller drei Dimensionen darstellt:

Nachhaltigkeitsmodelle

3. Kurzer geschichtlicher Abriss

Nachhaltigkeit ist ursprünglich eine ressourcenökonomische Idee. Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz soll 1713 zum ersten Mal den Gedanken der Nachhaltigkeit für die Forstwissenschaft formuliert haben: Er wollte einen hohen Holzertrag erzielen, aber es sollte nur so viel Holz geschlagen werden, wie innerhalb einer bestimmten Periode nachwachsen konnte. Heute lässt sich dieser Grundgedanke auch in der Maßeinheit des ökologischen Fußabdrucks noch wiederfinden: Wie fällt die Bilanz aus, wenn wir das Angebot an vorhandenen natürlichen Ressourcen unserer Nachfrage gegenüberstellen, die wir für unseren Lebensstil in den Bereichen Ernährung, Wohnen, Mobilität und Konsum benötigen? Die Antwort ist bekannt, wird aber im Alltag gerne vergessen: Wir leben schon lange über unsere Verhältnisse und verbrauchen die Lebensgrundlage künftiger Generationen. Die endlichen Ressourcen schwinden, während Weltbevölkerung und Nachfrage gleichzeitig anwachsen.

Wie konnte es dazu kommen? Bestimmt begrüßte der eine oder andere Zeitgenosse von Carlowitz seine Idee und auch andere Menschen nach ihm hatten ähnliche Gedankengänge. Durchgesetzt hat sich letztlich aber doch das Gewinnstreben auf Kosten der Natur, insbesondere ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Traurig, aber wahr: Solange der Mensch noch lauter Bäume sieht, sieht er den schwindenden Wald eben nicht.

Erst in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, fand die Idee der Nachhaltigkeit zunehmend Eingang in die wissenschaftliche und politische Diskussion. Vielleicht hat der Blick auf unseren hübschen blauen Planeten aus dem Weltall einen positiven Beitrag dazu geleistet. 1972 sorgte die wissenschaftliche Studie „Grenzen des Wachstums“ von Dennis Meadows und seinem Forscherteam für großes Aufsehen. Die Studie zeichnete ein dystopisches Zukunftsszenario der Welt, falls es künftig nicht gelänge, einen Gleichgewichtszustand zwischen den sich wechselseitig beeinflussenden wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Faktoren zu erzielen. Die Forscher veranschaulichten auf der Basis von Computersimulationen, dass bei einer Fortsetzung des „business-as-usual“ innerhalb von 100 Jahren die Grenzen des Wachstums erreicht seien, da die Entwicklung beim Bevölkerungswachstum, der Umweltverschmutzung, dem Ressourcenverbrauch und der Industrialisierung exponentiell und nicht linear verlaufe.

by Noupload auf Pixabay
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Im gleichen Jahr fand die Stockholmer UNO-Konferenz für menschliche Umwelt als erstes weltweites Großevent statt. Probleme wie das Waldsterben und die Ölkrise schürten das politische Interesse in Deutschland. 1973 wurde das Washingtoner Artenschutzabkommen ins Leben gerufen. 1987 erschien der nach der Vorsitzenden der UN-Sachverständigenkommission „World Commission on Environment and Development“ benannte Brundtland-Bericht mit dem offiziellen Titel „Our Common Future“. Der Bericht erreichte eine breite Öffentlichkeit und beinhaltete ein umfangreiches politisches Konzept für eine nachhaltige Entwicklung unter Berücksichtigung gegenläufiger Interessen aus Wirtschaft, Umweltschutz und Armutsbekämpfung. Nachhaltige Entwicklung wurde als Verpflichtung der gegenwärtig lebenden Menschen gegenüber nachfolgenden Generationen definiert. Erstere müssten dafür sorgen, dass künftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht weniger befriedigen können, als sie selbst.

1992 fand der Umweltgipfel in Rio de Janeiro mit Teilnehmern aus 178 Staaten statt. Ziel war es, endlich weltweit verbindliche Abkommen als Basis für eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Unter anderem wurde hier nach langem Ringen auch die Agenda 21 verabschiedet, welche die nationalen Regierungen dazu verpflichtete, Bedingungen und Maßnahmen in ihrem eigenen Einflussbereich für eine global ausgerichtete, nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Das umwelt- und entwicklungspolitische Aktionsprogramm sollte bis auf die lokalen Kommunen runtergebrochen werden („Think Global – Act Local“). Die rechtliche Verankerung und Konkretisierung verläuft allerdings, trotz diverser Nachfolgekonferenzen, bis heute eher bedächtig und mit mittelmäßigem Erfolg.

Auf der bedeutendsten Nachfolgekonferenz im Jahr 2002 in Johannesburg, dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung, wurden zum ersten Mal quantitativ messbare Ziele in den Aktionsplan aufgenommen. Integriert wurde auch die im Jahr 2000 von der UNO, der Weltbank, der OECD und verschiedenen NGOs erarbeitete Entwicklungsagenda mit den acht Millennium Development Goals (MDGs). Der Fokus der MDGs lag insbesondere auf der Armutsbekämpfung, der Gesundheitsförderung und der Forderung nach gleichen Bildungschancen für alle und richtete sich vor allem auf die Entwicklungsländer.

2015 wurde dann auf einem weiteren UN-Gipfel die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verabschiedet, die den Geltungsrahmen auf alle Staaten der Welt ausdehnte. Vor dem Hintergrund einer rapide wachsenden Weltbevölkerung und dem Klimawandel wurden zudem ökologische Ziele stärker integriert. Die Agenda 2030 baute sowohl auf den Millenniums-Entwicklungszielen als auch der Nachhaltigkeitsagenda des Rio-Gipfel und seiner Nachfolgekonferenzen auf. Ihr Herz bilden heute die 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die zum ersten Mal die ökonomische, soziale und ökologische Dimension gleichermaßen in die Bestrebungen für eine global ausgerichtete nachhaltige Entwicklung einbeziehen. Die 17 Ziele hängen wechselseitig voneinander ab und können nur ganzheitlich angegangen werden. Um ihre Beziehungen zueinander sichtbarer zu machen, wurden ihnen fünf Kernbotschaften vorangestellt, die sogn. “5 Ps”: People, Planet, Prosperity, Peace und Partnership. Entwicklungsländer, Schwellenländer und Industrienationen sind gleichermaßen gefordert, die vereinbarten Ziele zu erreichen. Wir befinden uns heute (2020) bereits am Ende des ersten Drittels der Laufzeit der Agenda.

Das zweite wichtige Abkommen, das Hand-in-Hand mit der Erreichung der 17 Ziele geht, wurde 2015 auf der UN-Klimakonferenz in der französischen Hauptstadt verabschiedet. Im Klima-Abkommen von Paris (COP 21) wurde vereinbart, die vom Menschen verursachte Klimaerwärmung stark zu reduzieren. Zum ersten Mal haben nun fast alle Staaten der Erde nationale Klimaschutzziele definiert. Mit der Unterschrift des Abkommens haben sich die Staaten völkerrechtlich verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Treibhausneutralität in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts gewährleistet. Das übergreifende Ziel ist, die Erderwärmung langfristig möglichst unter 1,5 Grad zu halten bzw. dafür Sorge zu tragen, dass 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau auf keinen Fall überstiegen werden. Dies erfordert ein schnelles und entschlossenes Handeln zur Halbierung der Treibhausgasemissionen pro Jahrzehnt ab 2020,  einen Umstieg auf erneuerbare Energien und die Entwicklung neuer Technologien. Ansonsten besteht die realistische Gefahr, dass unser gesamtes System unaufhaltsam kippt. Eine schnelle Umsetzung der Klimaschutz-Maßnahmen zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels wird auch von der weltweiten sozialen Bewegung „Fridays for Future“ gefordert. Sie rekrutiert sich stark aus den Alterskohorten Y und Z: den für Unternehmen so interessanten „digital natives“.

4. Nachhaltigkeitsleitstrategien

Es gibt drei wichtige Nachhaltigkeitsleitstrategien, an denen sich Maßnahmen und Geschäftsmodelle ausrichten können: Suffizienz, Konsistenz und Effizienz. Sie setzen an unterschiedlichen Stellen der Wertschöpfung an und bringen verschiedene Herausforderungen mit sich. Die Suffizienz-Strategie erfordert einen bescheideneren, genügsameren Konsum- und Produktionsstil. Es gilt, „weniger ist mehr“. Produktentwicklungen und Trends aus der Suffizienz-Logik heraus sind z.B. Slow Food, Carsharing und Rufe nach Achtsamkeit und Entschleunigung. Verschwendung jeglicher Art ist der Feind der Suffizienz. Sie setzt darauf, nur nachhaltige Produkte zu produzieren. Die Basis für den Erfolg dieser Strategie ist allerdings eine für viele Menschen unattraktive Veränderung des Konsumverhaltens.

Die Konsistenz-Strategie nimmt sich die Kreislaufprozesse der Natur zum Vorbild. Nach dem Prinzip „Cradle-to-Cradle“ sollen z.B. Abfälle, Abwärme oder Abwasser weiterverwendet werden und Produkte oder Produktbestandteile nach der Produktnutzung wieder in den Produktionszyklus eingeführt werden. Es geht darum, die  „Schadschöpfung“ zu reduzieren bzw. ganz zu vermeiden. Damit das funktioniert, muss allerdings das aktuelle System umfassend neu organisiert werden, damit Produkte am Ende der Nutzungsperiode dem Zyklus wieder zugeführt werden können. Materialien müssen recyclebar sein und die Konsumenten müssen an der Rückführung der Produkte mitwirken bzw. neue Konsumstile annehmen, wie z.B. Leihe anstelle des Besitzes von Produkten.

In der betrieblichen Praxis wird am häufigsten die Effizienz-Strategie angewendet, da sie am einfachsten umzusetzen ist und gut in ökonomische Argumentationsmuster passt. Sie zielt auf eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit (z.B. durch technische Verbesserungen) sowohl bei den Endprodukten als auch innerhalb der Herstellungsprozesse, indem entweder bei gleichem Ressourceneinsatz ein höherer Output oder mit geringerem Ressourceneinsatz der gleiche Output generiert wird. Auf diese Weise sollen umweltfreundlichere, ressourcenschonendere Produkte hergestellt werden. Allerdings kann zu viel Effizienz auch das Gegenteil bewirken bzw. die positiven Effekte teilweise wieder aufheben, wenn das gesparte Geld wiederum in umweltschädlichen zusätzlichen Konsum fließt (Rebound-Effekt).

5. Unternehmensverantwortung

Unabhängig vom Geschäftsmodell und den damit verbundenen möglichen Leitstrategien, können alle Organisationen im Bereich sozialer und ökologischer Verantwortung aktiv werden. Konzerne und größere Unternehmen haben hierfür häufig eigene Abteilung oder Stabsstellen, die sich mit Nachhaltigkeitsthemen befassen.

Das betriebliche Engagement kann sowohl freiwilliger Natur sein als auch auf rechtlichen Vorschriften beruhen. Die Verantwortung, die ein Unternehmen für die Folgen seiner Geschäftstätigkeit auf die Gesellschaft und Umwelt übernimmt, wird als Corporate Responsibility (CR) oder Corporate Social Responsibility (CSR) bezeichnet. Es geht dabei auch um alle Maßnahmen, die das Unternehmen ergreift, um negative Auswirkungen auf einzelne Personen, die Gesellschaft und die Umwelt zu verhindern oder zumindest zu minimieren. Die Unternehmensverantwortung umfasst zunächst die durch Gesetze, Regeln und Vorschriften verordnete Nachhaltigkeit (Compliance). Darüber hinaus beinhaltet sie auch freiwilliges oder auf Empfehlungen beruhendes Engagement, das Unternehmen im Rahmen einer „guten Unternehmensführung“ (Corporate Governance) als Selbstverpflichtung gegenüber allen Anspruchsgruppen oder als „gute Bürger“ (Corporate Citizenship) über ihren eigentlichen Zweck hinaus im regionalen Umfeld erbringen.

6. Ich will es wissen!

Was macht ihr bereits im Bereich betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement, wovon andere lernen können? Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei euch im Büroalltag und im Geschäftsmodell? Ihr möchtet euren Praxis-Case vorstellen? Schreibt mir an inike at missionsustainable de.

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